Fortsetzung ...
War das wirklich unser Ernst?
Nun liegt das Buch im praktischen Format endlich vor und wie es der
Titel schon verrät, finden sich darin zu jedem Buchstaben ein
Begriff aus der Pandemiezeit. Von A wie Ansteckung bis Z wie Zensur.
Die richtigen Worte zu den Buchstaben zu finden, sei sehr einfach
gewesen. «Ich hatte eher das Problem, dass sich meistens mehrere
Begriffe aufdrängten, mit Ausnahme exotischer Buchstaben wie X oder
Y.» Beim kreativen Prozess sei ihm einmal mehr aufgefallen, wie
umfassend sich Corona beziehungsweise die Massnahmen auf unser Leben
ausgewirkt hätten und wie buchstäblich jeder Bereich der
Gesellschaft irgendwie davon betroffen gewesen sei. «Entsprechend
war der Fundus ziemlich riesig. Es ging beim «Corona-ABC» aber nie
um Vollständigkeit, die ist in einem Buch gar nicht zu erreichen.
Die 26 Kapitel sind eine durch und durch subjektive Auswahl, die in
der Summe aber wohl ein ziemlich umfassendes Bild ergibt.» Was man
beim Lesen des Werks merkt, Stefan Millius schreibt Texte mit Kante
und scheut sich auch nicht hin und wieder humoristische Momente
einzubauen. Laut ihm ist es wichtig, Gegensteuer zu geben, denn
viele Menschen seien in den vergangenen zwei Jahren ziemlich hart
und verbittert geworden. «Wir befanden uns in einem permanenten
Grabenkampf mit Andersdenkenden, verbunden mit den zahlreichen
Einschränkungen. Jedes Gespräch war eine Gratwanderung: Wie denkt
mein Gegenüber? Das ist tödlich für eine offene Gesellschaft, die
vom Dialog leben sollte. Wir brauchen dringend wieder eine
Leichtigkeit im Umgang miteinander, und da ist Humor ein Türöffner.
Jetzt, nach dem Ende der Massnahmen, ist der richtige Zeitpunkt,
zurückzuschauen, sich am Kopf zu kratzen und laut zu fragen: War das
alles wirklich unser Ernst?»
Lektion gelernt
Mutig hat «Die Ostschweiz» in den vergangenen zwei Jahren die
Massnahmen stets hinterfragt. Rückblickend würde Stefan Millius dies
heute, wenn er frei entscheiden könnte, wohl nicht mehr in diesem
Ausmass machen, weil er durch die ganze Arbeit zu wenig Zeit für
seine Liebsten hatte. «Aber ich denke, diese Wahl hätte ich gar
nicht. Ich handle in aller Regel aus dem Bauch heraus, ich habe ein
ziemlich ausgeprägtes Unrechtsempfinden, und ich ertrage es nicht,
wenn der gesunde Menschenverstand mit Füssen traktiert wird. Hätte
ich das alles nicht getan, würde ich heute wohl unter einem
Bauchgeschwür leiden.» An dieser Stelle wolle er ausserdem gleich
mal mit einem Vorurteil aufräumen. «Es gab ja bei Kritikern die
These, meine Haltung sei strategischer Natur, ich wolle eine Nische
besetzen und ein bestimmtes Publikum erreichen. Diese Leute
überschätzen mich. Ich bin kein Planer mit einer langfristigen
Strategie. Ich fasse meine Überzeugung in Worte, ohne über die
Konsequenzen nachzudenken.» Diese Haltung hat ihm neben vielen neuen
Lesern auch den Zorn von vielen anderen Personen eingebracht. Heute
würde er wahrscheinlich nicht mehr so scharf schiessen auf bestimmte
Personen. «Ich glaube zwar, dass das inhaltlich durchaus angebracht
war, nur ist es manchmal effektiver, wenn man mit dem feinen Florett
kämpft statt mit dem Zweihänder. In jüngster Zeit packe ich meine
Kritik deshalb lieber in satirische Betrachtungen statt in
anklagende Faktensammlungen. Damit löst man bei den Lesern oft mehr
aus. Ich denke, diese Lektion habe ich gelernt.»
Bewusstsein für die Zukunft schärfen
Auch wenn viele Medien inzwischen Berichte veröffentlichen, die in
eine ähnliche Richtung gehen, wie die von seiner Onlinezeitung, ist
Millius nicht verbittert, erst mit grossem Abstand Recht zu
erhalten. «Ich habe nie daran gezweifelt, dass die ganze Sache
irgendwann anders beurteilt werden wird. Darauf haben alle Fakten
und Zahlen hingewiesen. Vor allem, was die Verhältnismässigkeit
einzelner Massnahmen angeht. Grosse Eingriffe wie die
Zertifikatspflicht müssen in der Rückschau gemessen an der
wirklichen Gefahr beurteilt werden, und da fallen sie durch.»
Allerdings mache er sich keine Illusionen. Gewisse Personen erreiche
der Autor auch jetzt noch nicht. «Wer alles, was verordnet wurde,
ohne Murren mitgetragen hat, weil er von einer allgemeinen tödlichen
Bedrohung ausgegangen ist, wird nun mit Sicherheit nicht plötzlich
zugeben, dass das nie der Fall war. Ich bin auch weit entfernt von
einer Befriedigung darüber, dass sich immer mehr zeigt, wie weit
entfernt die Horrorprognosen von der Wirklichkeit waren. Wir haben
gesehen, welchen Gehorsam Regierungen und Medien im Zusammenspiel
mit Medien auslösen können. Das beunruhigt mich weiterhin.» Mit den
Affenpocken geistert aktuell schon das nächste Gespenst umher und
auch Stefan Millius weiss, dass er mit dem Corona-Büchlein wohl
kommerziell betrachtet sicher ein wenig zu spät dran ist, doch es
sei ihm wichtig gewesen auf das eigene Bauchgefühl zu hören. «Ich
gehe ausserdem davon aus, dass es nicht vorbei ist. Bereits ist in
der Politik die Rede von Sommerimpfungen für den Herbst, von der
nächsten grossen Welle und vielem mehr. Für mich ist das
‘Corona-ABC’ auch eine Art Vorbereitung auf den nächsten Akt. Wenn
wir uns jetzt bewusst werden, wie absurd viele der Dinge waren, die
viele von uns in diesen zwei Jahren als ganz normal oder nötig
betrachtet haben, kann das vielleicht helfen, das Bewusstsein für
die Zukunft zu schärfen.» Er für seinen Teil hoffe, beim nächsten
Buch wieder literarischer schreiben zu können, denn das Unterhalten
der Leserschaft fehle ihm schon sehr. «Die Realität hat mich in eine
andere Rolle gezwungen. Ich möchte möglichst bald wieder in eine
fiktive Welt eintauchen. Völlig egal, wie bedrohlich ich diese
gestalte, sie wird kaum an das, was wir erlebt haben, heranreichen.»
Nach «Schreib!» im Dezember 2021 und dem soeben erschienenen «Corona
ABC» könnte es durchaus sein, dass es noch dieses Jahr ein weiteres
Buch von ihm geben könnte. «Ich werde mir mit dem nächsten Buch
nicht mehr so viel Zeit lassen, wie es vor Corona der Fall war.» Es
bleibt somit spannend. Das neue Buch «Corona ABC» kann im
Qultur-Shop unter www.shop.qultur.ch oder direkt bei der Drucki
Schiers bezogen werden.
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